Die Arbeitswelt verändert sich rasant.

Ein Gastbeitrag von Lioba Heinzler, liobaheinzler.de (Wülfrath).

Die bisherige traditionelle Unternehmenskultur machte unsere Wirtschaft in Deutschland stark. Doch wenn wir uns in den jungen Unternehmenskulturen umsehen, dann sind andere Faktoren entscheidend. Es stehen sich zwei unterschiedliche Arbeitskulturen gegenüber: Eine junge, gut ausgebildete und selbstbestimmte Nachwuchsgeneration mit Netzwerkern, die weltoffen kommunizieren und ihr Wissen austauschen. Dagegen klassische Unternehmen, die sich nicht gerne zeigen.

Innen und Außen

Hidden Champions halten ihre Entwicklungen und Patente geheim, scheuen die Öffentlichkeit, wirken im Verborgenen. Firmen waren geschlossene Systeme, die ihre Unternehmensgeheimnisse gehüteten. Familienunternehmen funktionieren wie Familien: Es gibt ein Innen und Außen.

Neue Arbeitsweisen wie Homeoffice und Formen der Kommunikation in Social Media verwischen die Grenzen zwischen privat und beruflich. Die Erfahrung der langjährigen Mitarbeiter steht in Konkurrenz zu neuen, innovativen Arbeitstechniken und Materialien. Wenn früher langjährig erprobte Abläufe für Qualitätsstandards sorgten, heißt heute Qualität eben auch Schnelligkeit und individuelle Lösungen. Früher war Innovation die Aufgabe der Entwicklungsabteilung, heute stellt sich an jedem Arbeitsplatz die Frage, wie ich meine Arbeit an die veränderten Kundenansprüche (“sofort und jetzt”) oder großzügiges Rückgaberecht anpassen kann.

Digitalisierung schafft neue Realitäten

Dem klassischen Einzelhandel nur einen Onlineshop anzuhängen, wird den Möglichkeiten eines digitalen Unternehmens nicht gerecht. Digitalisierung heißt, dass das Business mit seiner Kernkompetenz ganz neu gedacht und in eine neue Form gegossen werden muss – also neue Geschäftsmodelle braucht. Digitale Unternehmen sind entstanden, die äußerst erfolgreich bisherige Überzeugungen und Geschäftsmodelle auf den Kopf stellen.  Doch wie kommt das neue Denken in die traditionellen Firmen? Wie sieht die innovative Gesamtlösung für die Kernkompetenz des Unternehmens im digitalen Zeitalter aus?

Als Verantwortlicher sollten Sie vier Themenfelder im Blick behalten:

1. Auf Augenhöhe kommunizieren mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten

Eine Unternehmenskultur, die Respekt an Alter und Erfahrung koppelt, hat es schwer mit einer Generation Y, die nach- und hinterfragt. Sie macht Respekt und Autorität fest an persönlicher Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Wenn die nachwachsende Generation stärker geprägt ist durch eine offene Kommunikation, dem Netzwerken und Teilen von Wissen, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden. Sie sind enge Kooperationspartner für erfolgreiches Business und müssen vertrauensvoll auf Augenhöhe ernstgenommen und wertgeschätzt werden.

2. Führungskräfte sind die Change-Agents

In diesem gewaltigen Veränderungsprozess kommt auf das Führungsteam eine besondere Herausforderung zu: Sie müssen sich auf machen, ohne zu wissen, wie der Weg oder das Ziel aussehen. Sie sind Führer durch unbekanntes Terrain. Sie sind nicht mehr die erfahrenen Wissenden und müssen trotzdem nach vorne gehen und entscheiden.

Wichtig ist, dass das Führungsteam sich über den Aufbruch einig ist und eine gemeinsame Vision entwickelt, die sie auch kommunizieren. Es ist an ihnen, zum Experimentieren zu ermutigen. Denn brav seine Arbeit machen, wie bisher, bringt keine neuen Erfahrungen und Erkenntnisse. Es geht nicht darum, eine neue Software zu erlernen oder eine attraktivere Firmenhomepage in Auftrag zu geben – sondern um eine (neue) Grundhaltung: Neugierde auf Neues und Spielfreude in den Arbeitsalltag holen, Lebendigkeit des inneren Kindes wieder zu entdecken, sich mental auf Überraschungen einstellen und neue Vernetzung zu erproben. Dafür braucht es Chefs, die es erlauben – und Mitarbeiter, die sich trauen, kreativ quer oder “out of the Box” zu denken. Und diese Veränderung beginnt zuerst bei den Führungskräften. Diese sind zuerst gefordert, die alten Wege und Denkmuster zu verlassen.

Und noch eine Herausforderung wartet auf Sie als Führungskraft: Lernen Sie, Konflikte zu mögen, denn sie gehören zur Veränderung dazu. Sagen Sie «Ja!» zu Konflikten, denn sie sind ein deutliches Zeichen, dass Sie unterwegs zu neuen Ufern sind.

3. Neue Formen und Techniken der Kommunikation nach innen und außen

Wenn Sie sich dafür entscheiden, als mittelständisches Unternehmen die digitale Herausforderung offensiv zu gestalten, dann werden Sie viel und häufig mit Ihren Führungskräften, Mitarbeitenden und Teams reden müssen: erklären, beschreiben, überzeugen, darstellen, nachfragen und zuhören.

Da es nicht um die Fortschreibung des bisherigen mit neuer Technik geht, sondern um völlig neue Lösungen, stellen sich die Fragen:

  • Wie lässt sich unsere Kernkompetenz ganz anders denken und umsetzen?
  • Wie geht es intern leichter? (flexibler, schneller, kostengünstiger, weniger aufwändig)
  • Wie können wir unseren Kunden durch unseren Produkte und Dienstleistungen das Leben leichter machen?

Sich auf eine Reise zu machen ohne zu wissen, was das Ziel ist, wird Ängste auslösen. Die beste Möglichkeit mit ihr umzugehen ist, sich ihr zu stellen. Sie werden Worte finden, die Ihre Vision beschreiben und bewusst machen, dass jetzt die Zeit ist zu beginnen. Wer wartet und erst mal schaut, was die Mitbewerber tun, verliert einen entscheidenden zeitlichen Vorsprung.

Und entscheidende Informationen kommunizieren Sie auch professionell und authentisch nach außen. Über alle Kommunikationswege, die die Menschen heute nutzen und bedienen: Social Media sind eine effektive Möglichkeit, gerade über entsprechende Bilder – Kopfkino –die Geschäftspartner auf dem Laufenden zu halten. Denn es geht in der Geschäftswelt darum, dass Sie vertrauenswürdig sind und bleiben, auch wenn die Kommunikationstechnik sich geändert hat.

Auch, um in Zeiten des Fachkräftemangels als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, ist es wichtig, dass Sie Ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit in seinen unterschiedlichen Facetten darstellen. Denn digital orientierte Unternehmen sind für junge Menschen höchst attraktiv.

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Bewahrung des Feuers.“ (Gustav Mahler)

Es geht um die Evolution zum agilen Unternehmen, das sich den Zeichen der Zeit stellt, um zukunftsfähig zu bleiben.

4. Mitarbeiter befähigen und eine lernende Organisation gestalten

„Um etwas wirklich zu lernen, ist überquellende Neugier nötig, sowie die Bereitschaft, das Gefühl von Ungeschicklichkeit und Verlegenheit auszuhalten – Merkmale, die andeuten, dass wir trotz allem nur Menschen sind.“ (Dawna Markova)

Die größte Herausforderung für die Führungskräfte besteht darin, die Mitarbeiter mitzunehmen. Sie vertrauen dem Chef, dass er weiß, was er tut und die Zeichen der Zeit erkennt. Sie arbeiten zuverlässig seit vielen Jahren im Unternehmen und verstehen manches in der neuen Zeit eben NICHT. Diese Menschen, die sich wohlfühlen, die emotionale Sicherheit haben an ihrem Arbeitsplatz, weil sie wissen, wie es geht, was man von ihnen erwartet: Sie sollen ihre Komfortzone – das, was sie kennen – aufgeben und sich bewegen. Sie sollen sich auf den Weg  machen, um zu erkunden, was hinter dem Horizont liegt.

Balance zwischen Erfahrung und Lernen

Warum soll ich was verändern, wenn der Laden läuft? Wie kann die Balance gehalten werden, angesichts des Wandels von analogen zu digitalen Unternehmen mit einer Belegschaft jenseits des 50zigsten Geburtstags? “Hab keinen Bock mehr, Neues zu lernen.” Was tun, wenn jemand keine Lust hat, sich den Herausforderungen der neuen Zeit zu stellen? Wie kann ich als Chef die Arbeitsfreude erhalten oder sogar wieder wecken?

Auch für den einzelnen Mitarbeiter haben sich die Anforderungen verschoben: Hatte früher der, der gewissenhaft abarbeitete, die Nase vorn, so ist es heute der Mitarbeiter, der schnell und flexibel auf neue Anforderungen reagieren kann. Wie kommen langjährige Mitarbeiter, die nicht zur Generation der Digital Natives gehören, zu den neuen Kompetenzen, die nötig sind, um mit Schnelligkeit der Veränderung klar zu kommen und einen sinnvollen Beitrag für die Weiterentwicklung der Firma, der Produkte, der Prozessabläufe und Geschäftsmodelle beizusteuern?

Sich auflösende Strukturen und das Klima des Experimentierens

Wenn die äußeren Strukturen sich auflösen, brauchen die Mitarbeiter eine innere Sicherheit, um schnell und flexibel reagieren zu können. Entscheidend ist, Menschen darauf vorzubereiten, dass ein anderes Denken notwendig ist. Je mehr ich Veränderung übe, umso mehr verliere ich die Angst davor. Wichtig ist zu verstehen, dass es bei so vielen Unbekannten nur eine Möglichkeit gibt: sich der Realität zu stellen, die Unsicherheiten auszuhalten und anzufangen.

Dafür braucht ein Klima des Experimentierens, der Kreativität, die Versuch und Irrtum zulässt. Die aushält, dass Experimentieren nicht direkt zu brauchbaren Ergebnissen führt. Sich erlauben und Erlaubnis zu erhalten, ver-rückt zu sein, altes Gewohntes zu ver-rücken, Dinge nicht als selbstverständlich zu nehmen. Es geht um die Bereitschaft, Neues zu gestalten, Fragen zu stellen und neue Antworten zu suchen. Manchmal miteinander im Team, manchmal einzeln für sich selbst. Einer Fehlerkultur, die im besten Falle das Scheitern feiert. Denn die Lösungen der Herausforderung der Zukunft kommen nicht aus der bewährten Vergangenheit. So gilt auch nicht mehr nur, Jung lernt von Erfahrung, sondern es ist notwendig, voneinander und gleichberechtigt zu lernen.

Auf den Kopf stellen, gegen den Strich bürsten …

Wichtig ist formelles Lernen in Weiterbildungen und Kursen und informelles Lernen in Arbeitskreisen und Workshops und beim Ausprobieren und Surfen am Computer. Es geht um Wissen und Weiterlernen, aber auch um die innere Erlaubnis, Bekanntes auf den Kopf zu stellen und gegen den Strich zu bürsten. Innovation ist die neue Kombination zweiter altbekannter Dinge. Auf jeden Fall: Solange der Computer wie eine Schreibmaschine mit Speicherfunktion genutzt wird, werden die Potenziale der digitalen Welt nicht genutzt.

Sicherlich tun die Verantwortlichen gut daran, die Dosis der Herausforderung und Veränderung gut zu wählen. Sicherlich führen zu viele neue Ideen und Innovationen zu Verwirrung und manches wird chaotisch. Doch werden die Strukturen zu sehr gepflegt, erstarrt die Firma.

Drei Schritte braucht jede Arbeit, damit sie sich kontinuierlich weiterentwickelt:

  1. Ziele und Planung
  2. Umsetzen und tun
  3. Auswerten, was wie gelaufen ist: Reflexion, Controlling

Dies ist dann die Grundlage, um mit Schritt 1 wieder anzufangen.

In diesem Sinne: Arbeitest Du noch oder denkst Du schon?

Ihre Lioba Heinzler
info@liobaheinzler.de

(Bildquelle: No changes made @ «Objects in the mirror are greater than they appear» by Conanil via flickr, CC BY 2.0)

About the Author

J. Christoph Ziegler ist Social Media Stratege und der Kopf bei kumulus ® – besonnen, auf Augenhöhe und immer wohlwollend kritisch. Sein Credo? Offline-Business online beleben! Hier im kumulus-Blog liefert er Impulse zum Start in Social Media und gibt zwischendurch kurze und knackige Tipps für soziale Netzwerke und eine gelungene Kommunikation.

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